Spoken Word Perfomance von NICO AND THE NAVIGATORS • Villa Elisabeth

»Post.Kafka«

Do 21.11.
20:00 Uhr
Eintritt 15 € / erm. 10 € / Berlin-Ticket S 3 €

Li-Be für die Stadt

Spoken Word Perfomance von NICO AND THE NAVIGATORS

Von und mit: Elfa Rún Kristinsdóttir (Violine), Herdís Anna Jónasdóttir (Sopran), Annedore Kleist (Darstellerin) | Künstlerische Leitung, Regie: Nicola Hümpel | Technische Leitung: Oliver Proske | Dramaturgie: Andreas Hillger | Kostüm: Nicola Hümpel, Orli Baruch | Licht: Leroy Nikolas von Bergen | Regieassistenz: Orli Baruch | Bühnenbildassistenz: Sonja Winkler | Produktion: Talea Nuxoll, Franziska K. Huhn, Leonie Schirra

Mit POST. KAFKA verbinden NICO AND THE NAVIGATORS einen Brief und einen Lied-Zyklus.

Die Kafka-Fragmente von György Kurtág sind eine Zumutung im besten Sinne: Vierzig Miniaturen – vom sekundenschnell verfliegenden Ausbruch bis zur minutenlang überdehnten Meditation – hat der Komponist aus den Notizen von Franz Kafka geformt und zu einem Ganzen verbunden, das zugleich fragil und fraktal wirkt. Beiläufige Beobachtungen wechseln hier mit moralischen Maximen, die Perspektiven variieren mit den Tonfällen: Die Bagatelle »Es zupfte mich jemand am Kleid, aber ich schüttelte ihn ab« steht neben dem Befehl »Im Kampf zwischen dir und der Welt, sekundiere der Welt«, die Impression »Die Weißnäherinnen in den Regengüssen« neben der Tröstung »Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke«. Dass Kurtág dieses Treibgut aus dem Strom des Bewusstseins in Sopran-Höhen gehoben und mit einer Solo-Violine sekundiert hat, weist NICO AND THE NAVIGATORS in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Berlin im 100. Todesjahr des Dichters nun den Weg zu ihrer eigenen Lesart: Für POST. KAFKA fügen sie dem Zyklus ein weiteres berühmtes Werk hinzu, das als Einladung zu einem Dialog selbst unvollendet, weil unbeantwortet geblieben ist.

Der 1919 geschriebene, nie abgesandte Brief an den Vater wirkt – von einer Frau gesprochen und mit Kurtágs Stücken kombiniert – wie die verbindende Masse zwischen den prismatischen Splittern, die nach Art des japanischen Kintsugi »repariert« werden. Dabei sind die Brüche nicht das dezent versteckte, sondern das demonstrativ ausgestellte Element des Abends. Der sorgfältig komponierte, von den Navigatoren ebenfalls in Fragmente zerlegte Brief zieht die bittere Zwischenbilanz einer komplexen Beziehung, zu der sich die musikalischen Einwürfe wie unwillkürliche Assoziationen oder Abschweifungen verhalten. In der Mischung aus Anklage und Rechtfertigung, aus Affekt und Analyse wird das Bild eines Mannes kenntlich, der im Schatten seines Übervaters kauert und vergeblich gegen dessen Dominanz ankämpft. Dass dabei neben tragischen auch komische Aspekte aufscheinen, ist dem exaltierten Gestus der Kurtág-Fragmente angemessen: Auch hier sorgt der oft nervöse, zum Zerreißen gespannte Ton für eine Hysterie, die sich ebenso unvermittelt in Heiterkeit wie im Zusammenbruch entladen kann. In Verbindung mit Kafkas quälend genauer Beschreibung seines Leidens an Herkunft und Erziehung wirken diese Punkte zugleich wie Nadelstiche, die dem Schmerz andere Quellen und Richtungen geben. Auch so lässt sich das gesteigerte Interesse erklären, das dieser 1987 uraufgeführte Zyklus im Jubiläumsjahr des Dichters findet. So ist der erste Vokal im Titel zugleich kurz und lang lesbar: Einerseits geht es um die zurückgehaltene Post, andererseits um eine nachträgliche, posthume Befragung ihres Autors. Drei Frauen – Lehrerinnen, Geliebte, Schwestern? – im Gespräch über einen Abwesenden: »Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.«

Weitere Termine:

22.11. um 20 Uhr in der Villa Elisabeth

23.11. um 20 Uhr in der Villa Elisabeth

Eine Produktion von Nico and the Navigators, gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Koproduktion mit dem Literaturhaus Berlin. In Kooperation mit den Kasseler Musiktagen und dem Kultur Büro Elisabeth.

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