Mit Khesrau Behroz, Nicola Gess, Rebekka Hufendiek, Jean Peters, Daniel Ryser. Moderation: Eva Wolfangel
Halbwahrheiten haben Konjunktur. Wie die Literaturwissenschaftlerin Nicola Gess jüngst gezeigt hat, verbreiten sie sich häufig in Form von Anekdoten und anderen Kurznarrativen, die einer Logik des Hörensagens folgen. Diese Logik, wie auch die für Anekdoten typische kollektive Autorschaft, wird dabei durch soziale Medien, die das Verhältnis von Produzent:in und Konsument:in aufweichen, befeuert. Dabei funktionieren Halbwahrheiten häufig als Türöffner für die Verbreitung von rechtspopulistischer und sexistischer Ideologie und Verschwörungstheorien.
In diesem öffentlichen Workshop wollen wir Halbwahrheiten und andere Formen der Desinformation nicht nur dem handelsüblichen Faktencheck, sondern vor allem einem «Fiktionscheck» (N. Gess) unterziehen, um durch diese Verschiebung des Fokus neue Erkenntnisse zu gewinnen: Was für Narrative werden bemüht? Welche mythischen Figuren, Bilder und rhetorischen Mittel werden aufgerufen und wie verhalten sich diese zu den Produktions- und Verbreitungsmechanismen, die durch die jeweiligen Medien und Plattformen bereitgestellt werden? Versteht man die fiktionale Logik von Verschwörungsmythen, Halbwahrheiten und Fake News, lassen sich möglicherweise auch Strategien für Gegenerzählungen entwickeln. Was sind Interventionen und Darstellungsformen, die die Verbreitung von Halbwahrheiten erfolgreich unterlaufen könnten?
Hierfür hat jede:r Redner:in einen Slot von 15 Minuten, in dem eine exemplarische Halbwahrheit (typischerweise ein Fund aus dem Internet, Meme, Videoschnipsel, Audiodatei, Chatauszug etc.) präsentiert und erläutert werden soll: Was ist das? Warum ist das einschlägig/relevant? Warum ist das eine Halbwahrheit (Faktencheck)? Welcher Form der Fiktionalisierung bedient sie sich und wie fördert sie die Verbreitung?
In einer Roundtablediskussion sollen anschliessend gemeinsam Strategien für journalistische/akademische/künstlerische Interventionen, Darstellungsformen und Kommunikationspolitiken diskutiert werden, die sich für realitätsbehaftetere Gegenerzählungen eignen, die sich erfolgreich verbreiten lassen, ohne in gleicher Weise auf Komplexität, Belege etc. zu verzichten.
15:00 – 15:10 Begrüßung
15:10 – 15:25 Nicola Gess
15:25 – 15:40 Khesrau Behroz
15:40 – 15:55 Rebekka Hufendiek
15:55 – 16:10 Daniel Ryser
16:10 – 16:25 Jean Peters
16:30 – 17:00 Pause
17:00 – 18:00 Roundtable
Nicola Gess »Halbwahrheiten. Zur Manipulation von Wirklichkeit« Matthes & Seitz, 2021
Gefördert von der Stiftung Preußische Seehandlung